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Die Männer mit dem Rosa Winkel | Heinz Heger

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Beitrag von Darkstep Di Feb 28, 2017 10:20 pm

Hallihallo

In diesem Thread wollte ich einmal ein, leider eher unbekanntes, Buch vorstellen, dass mich in der letzten Zeit sehr beschäftigt hat und auch das erste Buch seit zehn Jahren ist, dass mich zum Heulen gebracht hat - und das erste Buch überhaupt, über das ich mehr als drei Tränchen vergossen habe.

Die Rede ist von "Die Männer mit dem Rosa Winkel", ein Buch, das berichtet, was ein schwuler Überlebender des Holocausts viele Jahre im KZ erleiden musste. Das Buch hat Johann Neumann unter dem Pseudonym Heinz Heger geschrieben, der selber schwul, aber nicht derjenige war, der das im Buch Beschriebene erlebt hat. Wer der aus Wien stammende Mann war, wird nicht gesagt.

Was in dem Buch an Widerlichkeiten an den Tag gelegt werden hat mich wirklich geschockt. Klar, mir war schon länger bewusst, dass während des Holocausts unvorstellbare Grausamkeiten geschehen sind, aber das in diesem Buch hat das Ganze für mich doch noch einmal... deutlich greifbarer und krasser gemacht.

Die Inhaftierten im KZ wurden mit Dreiecken in verschiedenen Farben gekennzeichnet. Die Juden hatten ein gelbes, bzw. zwei, die sich zu einem Stern ergänzt haben. Verbrecher hatten grüne Dreiecke, Politisch Gefangene Rote und die Schwulen die Rosafarbenen. Schwule standen in der Hierarchie des KZs noch unter den Juden, ich zitiere mal:
"Juden, Homos und Zigeuner, also die gelben, rosa und braunen Winkel, waren die Häftlinge, die am häufigsten unter den Matern und Schlägen der SS und Capos zu leiden hatten. Sie wurden als Abschaum der Menschheit bezeichnet, die überhaupt kein Lebensrecht auf deutschem Boden hätten und daher vernichtet werden müssten. Dies waren oft und gerne wiederholte Worte des Lagerkommandanten und seiner SS-Führer. Aber der allerletzte Dreck aus diesem "Abschaum", das waren wir, die Männer mit dem rosa Winkel." (S. 31 f.).

Das Buch ist an manchen Stellen wirklich schockierend und nichts für schwache Nerven, will ich behaupten. Oft werden die schwulen Männer aufs Oberste als abartig und widernatürlich beschimpft, während ihre Peiniger gleichzeitig Dinge tun, die wirklich, wirklich abartig und widernatürlich sind. Und auch nicht immer völlig frei von ebenfalls Homosexuellen Neigungen sind.

Generell fragt sich der Autor an vielen Stellen immer wieder, was denn an Schwulen so schlimm sei, was sie getan hätten, um eine solche Behandlung zu "verdienen". Natürlich hat kein Mensch so etwas verdient, aber der Umstand, dass Kriminelle KZ-Häftlinge tatsächlich vergleichsweise gut behandelt wurden, während Schwule ja Leute seien, die die Gesellschaft "verschmutzen", lässt einen schon nachdenken. Besonders, da ich mir nicht vorstellen kann, dass es heutzutage niemandem gibt, der so denkt. Fun Fact am Rande: Alle Homosexuellen, die den Rosa Winkel trugen, haben lediglich mit Erwachsenen einvernehmlichen Sex gehabt. Vergewaltiger und Kinderschänder hätten nämlich den Grünen Winkel verpasst bekommen.

Was mich wohl am meisten schockiert hat, ist der Umstand, dass ich in meinen Jahren in der Schule, in denen einen der Holocaust ja ständig begegnet, nie ein Wort von den Schwulen gehört habe. Höchstens einmal ein "Neben Juden wurden auch Sinti, Roma, Homosexuelle und politische Widersacher verfolgt." Aber dass es Homosexuellen teilweise noch schlimmer erging als Juden, davon hört man nichts. Und das die Schwulen auch nach Kriegsende keinerlei Entschädigung erhalten haben, sogar ihren KZ-Aufenthalt verschweigen mussten, da ihnen sonst erneut das Gefängnis drohte (der Paragraph 175 war ja noch wirksam), davon gibt es nicht ein Wort zu hören.
Es wird ja oft gesagt, Deutschland habe die Aufgabe, sich an den Holocaust im besonderen Maße zu erinnern und dafür zu sorgen, dass so etwas nie, niemals wieder passiert. Im Punkto Antisemitismus ist die Erinnerung und auch der Kampf gegen den Judenhass sehr erfolgreich - aber was Homophobie angeht? Fehlanzeige. Es wird sich ja auch immer noch krampfhaft gegen die Ehe für alle gewehrt, weil sie ja... Homos erlauben würde, zu heiraten. Das wäre ja furchtbar. Und auch der Umstand, dass es niemanden so wirklich zu interessieren scheint, dass es immer noch Länder gibt, in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht und sogar in Deutschland selber der Versuch, Homosexualität zu "heilen", nicht vollkommen illegal ist, finde ich mehr als ekelhaft.

Habt ihr das Buch gelesen? Wenn ja, was haltet ihr davon? Und selber, wenn ihr es nicht gelesen habt, was haltet ihr von der Thematik und davon, dass darüber in der Schule kaum was gesagt wird?
Ich möchte hier keineswegs behaupten, dass die Verfolgung der Juden und auch der anderen Menschen neben der Verfolgung der Homosexuellen unbedeutend war oder man nur an die Verfolgung der Homosexuellen erinnern sollte. Doch der Umstand, dass man im Gegensatz zu den anderen Völkergruppen den Schwulen kam gedenkt (und jetzt kommt bitte nicht mit dem Denkmal in Berlin, das ist auch wieder mehr so ein "Ach ja, da gab es noch Schwule...") und sie auch heute weniger beschützt als Juden, Sinti oder Roma, ist... ziemlich unschön, meiner Meinung nach. Schließlich hat man sich seine Sexualität ebenso wenig ausgesucht wie seine Angehörigkeit zu einer Völkergruppe.

"Genauso gut könnte oder müsste man die Linkshändigkeit oder die Farbenblindheit eines Menschen verdammen und dann unter Strafe stellen." (S. 7)

[Die Zitate stammen aus der 6. Auflage des Buches]

Darkstep

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